Weltraumschrott sells – warum wir uns an Star Wars wieder mehr stören sollten.

Wenn man neben Kids & Job kaum Zeit für andere schöne Dinge findet, dann bleibt so vieles liegen – wie auch dieser Blog. Da bedarf es schon eines echt starken Aufregers, um mich zum Bloggen zu bringen. Wie beispielsweise „Der Aufstieg Skywalkers“.

Was hätte dieser Abschluss nicht alles liefern, erklären, erzählen können? Zum Beispiel, wie man sich vom strengen Kanon der Vorgänger-Trilogien emanzipiert. Zum Beispiel wie man die überlebensgroßen und doch überraschend eintönigen Kategorien „Jedi/Sith“ in eine neue Zeit überführt – oder gar abschafft und damit erneuert. Zum Beispiel wie man durch einen geschickt konstruierten und bereits in Episode VII und VIII angelegten Plot den Zuschauer am Ende so überrascht, dass er atemlos den Kinosaal verlässt. Tatsächlich wird man völlig überwältigt angesicht der Bild- und Tongewalt dieses Films. Vieles davon macht Spaß, manches ist sogar toll – aber was „Der Aufstieg Skywalkers“ leider gar nicht hat, ist eine gute Geschichte! Stattdessen tut der Film, was jeder von ihm erwartet: Er bereist vornehmlich bekannte Gefilde (sogar die Todessternruine wird aufgesucht und die alten Sternenzerstörerflotte ausgegraben) und alle, ja wirklich alle Handlungsträger der Ursprungstrilogie bekommen nochmal einen großen Auftritt (sogar die Ewoks schauen am Ende nochmal staunend-quäkend zum Himmel!). Reproduktion von Bewährtem ist scheinbar das Einzige, was Disney sich bei Star Wars traut.

Warum ist das so? Warum muss Kylo Ren in diesem Teil plötzlich wieder mit seinem kindischen Helm herumlaufen, wo er sich doch im Vorgänger so vorbildlich von diesem Relikt der Vaderzeit emanzipiert hat? Wieso erlaubt man Luke Skywalker per Achselzucken zuzugeben, dass er mit all seinen heeren Zielen aus Episode VIII falsch lag – und damit allen Handlungsfortschritt wieder auf Null setzt? Wieso muss Finn ein dunkelhäutiges Pendant zur Seite gestellt bekommen, obwohl man Rose doch auf so erfrischende Art in Episode VIII aufgebaut hat? Und warum wird Rey, der leider eintönigsten und oberflächlichsten Figur der Galaxis, nicht mal im großen Finale etwas Tiefe gewährt? Auch wenn sie nun den Nachnamen Palpatine trägt, ist Rey zu keinem Zeitpunkt böse – ein paar zugespitzte Zähne beim imaginären schwarz gekleideten Zwilling und eine angebliche Vision über den Thron der Sith machen doch weder Zuschauer noch Figurenpersonal Angst… Stattdessen ist Rey Palpatine – ach nein, Entschuldigung: „Skywalker“ – eine einzige Farce, ein hübsches Gesicht perfekt fürs Merchandising und ohne echte innere Entwicklung. Immerhin: Dass sie sich am Ende von Lukes und Leias Lichtschwertern trennt, ist gut – aber dass sie dann tatsächlich ein drittes Lichtschwert zückt, ist wiederum nur ein Beleg dafür, dass Neuerungen in Starwars unerwünscht sind. Erwünscht hingehen scheint zu sein, dass man mit einem neuen Film-Lichtschwert zahlreiche neue Spielzeuge verkaufen kann. Und einen neuen Droiden-Sidekick haben die Macher auch noch aus dem Ärmel geschüttelt. Schrott sells… Wie unglaublich ernüchternd.

Star Wars sah schon mal besser aus – eine Neuinterpretation des Alten wäre angebracht…

Mag sein, dass ich ungerecht und in meinem Urteil festgefahren bin. Aber jenseits meiner eigenen Unzufriedenheit stelle ich mir übergeordnet die Frage: Warum überschütten so viele meiner Mitmenschen diesen schlimmen Film mit Lob? Bin ich mit meiner Meinung, dass eine gute Story mehr ist als 144 Minuten Galaxis-Krach, alleine? Ich fürchte, wir sind in Zeiten des unendlichen Unterhaltungsangebots und sich wöchentlich überholenden Streamingserienstarts so abgestumpft, dass uns die Reichhaltigkeit einer tiefgründigen Geschichte egal geworden ist.

Eigentlich sehnen wir uns alle nach Stories – je mehr von ihnen im Kino, im TV, im Buch oder im Podcast bingewatching-mäßig konsumiert werden können, umso besser. Im Kern aber suchen wir unter all diesen Stories doch nach der einen großen Geschichte, der einen Story, die uns total vereinnahmt. An kaum etwas anderes denken lässt. Die nach dem tragischen Tod eines Protagonisten etwa noch tagelang unsere Gefühlswelt durcheinanderbringt. Viele von uns – und besonders die Entscheider bei Disney – meinen, dass Star Wars allein aufgrund seiner Popularitätshistorie genau diese Leistung erbringt, egal was letztendlich im Film geboten wird. Eine fatale Fehleinschätzung – vorausgesetzt wir schauen genau hin, lassen uns vom Popcorngeschmack nicht ablenken und erkennen schlechte Geschichten und hohle Figuren als solche.

Lasst uns doch mal über Rey sprechen: Habt ihr irgendein Interesse an dieser Figur über die letzten drei Epidoden entwickeln können? Mir ist Rey nämlich phänomenal egal. Sie macht auf ihrer Suche nach der Identität ihrer Eltern und damit sich selbst keinerlei Entwicklung durch, bleibt stets die nette Rey, der ich, wäre sie Babysitterin, meine Kinder anvertrauen würde. Dass Palpatine auf ihrem Klingelschild steht, bewegt mich in etwa so, als würde jemand aus der realen Welt Judas mit Nachnamen heißen. Das einzige, das Rey wirklich gut kann, sind Stunts – die in ihrer Bildgewalt schön darüber hinwegtäuschen, dass wir als Zuschauer reines Artefakt-Jump’n’Run bezeugen. In „Der Aufstieg Skywalkers“ wird ständig im Affekt gehandelt, niemand macht Pläne, die Protagonistin „spürt“ sich einfach durch den Plot (gänzlich ohne sich mal eigene oder gar innovative Gedanken zu ihrer Situation zu machen), initiiert das naivste Rettungsmanöver seit Langem (einfach rein mit dem Schiff in den Sternenzerstörer und los geht’s zu Chewbacca!). Ein Glück, dass die Heldengruppe immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist – selbst wenn ihnen ein Missgeschick widerfährt und sie zum Beispiel im Treibsand nach unten sickern, finden sie just an der Stelle den Dolch mit der nötigen Wegbeschreibung.

Dieser Handlungsstrang ist ein gutes Beispiel: Es ist ein altbewährter Genregriff, dass eine Fantasy-Queste sich um ein Artefakt rankt – und das ist total legitim! Aber dass Rey diesen leider völlig kontextlosen „Sith-Wegfinder“ sucht, ihn findet und dieser schon in der nächsten Minute von Kylo Ren zerstört wird – also die ganze Queste vergebens war -, das ist wirklich kurzsichtig konzipiert. By the way: Warum sind der oberste Anführer und seine Häscher eigentlich an jedem gottverdammten Ort, den die Rebellen gerade betreten haben? Damit wird zwar in der Story konstante Bedrohungslage erzeugt, aber auch schön übertüncht, dass Erklärungen für so vieles fehlen.

Man könnte ewig so weiter machen. Es gibt bei all diesen Befindlichkeiten meinerseits zum Glück auch ein paar wenige positive Ausreißer. Szenen wie Reys mentales Zusammentreffen mit Kylo Ren in dessen Gemächern haben mir gut gefallen. Und Po, der Lichtblick des ganzen Films – weil er nämlich die einzige Figur ist, die kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es gilt, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Indem er zum Beispiel den neuen Merchandise-Droiden eine Fußtröte schimpft. Sollten sich mal mehr Leute trauen, stupide Dinge beim Namen zu nennen – dann bekommen wir vielleicht auch wieder gute Filme zu sehen.