Han Solo, Indiana Jones, Rick Deckard. Kaum ein Hollywood-Schauspieler hat so viele ikonografische Fantasy-Rollen verkörpert wie Harrison Ford. Nun (Ford hat mittlerweile das zarte Alter von 73 Jahren erreicht) erfährt jede dieser Rollen ein Revival. Und zwar nicht in frischer Neubesetzung, sondern mit der gealterten Filmfigur. 2008 musste der angestaubte Indiana Jones das „Königreich des Kristallschädels“ erkunden, während jüngst ein robuster Han Solo in „Das Erwachen der Macht“ ein letztes Mal den Millennium Falken fliegt. Und 2017 schlüpft Harrison Ford erneut in die Rolle von Rick Deckard. Der Protagonist aus „Blade Runner“ (1982) ist seit dem Ende des ursprünglichen Films untergetaucht – im neuen Film soll Deckard endlich gefunden werden, Luke Skywalker lässt grüßen.
Ich gebe ehrlich zu: Den vierten Indiana Jones finde ich unerträglich, auch wenn ich Harrison Ford tief verehre. Sicher liegt das zum Teil an Indys nervigem Sohn, aber auch an der Qualität des Abenteuers an sich. Indiana Jones plus Aliens, not for me. Doch der Rahmen der Story, nämlich einer alt gewordenen Figur nach Jahrzehnten wieder zu begegnen, besitzt für mich etwas echt Betörendes: Die geliebte Fiktion wird auf eine ungeahnt realistische Weise lebendig – und zwar ausgerechnet durch ergrautes Haar, unerbittliche Faltenbildung und erschlaffte Haut.
Wie das? Alt werden ist bekanntlich scheiße – und wer alt wird, verschiebt diese Tatsache gern aus der Realität in den Bereich der Fiktion. Doch für Leinwandikonen wie Solo & Co. gilt das Gegenteil. Denn wenn sie ihren gut konservierten jugendlichen Heiligenschein verlieren, entsteht etwas viel Besseres: Sie erlangen ein ungeahntes Maß an Wahrhaftigkeit, was Fantasy zu selten auszeichnet. Wer den wunderbaren Film „Boyhood“ gesehen hat, kann den Reiz des realen Alterns nachempfinden – schließlich wurde er über zwölf Jahre gedreht.
Altersauftritte an sich sind natürlich nicht neu: Leonard Nimoys Cameo-Rolle als Mister Spock in der neuen StarTrek-Verfilmung ist ein Beispiel; dass Mulder und Scully im TV wieder die X-Akten öffnen, ein anderes. Was hingegen neu ist: Manchen Fans wird die Fiktion zu real – Carrie Fisher kann in ihrer Rolle als General Leia Organa ein Lied davon singen. Anlässlich des Starts des neuen Starwars-Filmes musste sie sich einem Shitstorm aussetzen, weil sie angeblich so „schlecht gealtert sei“. Dass dieser Vorwurf nur das weibliche Mitglied des ursprünglichen Casts betrifft, sagt leider viel über das altertümliche Denken einer großen Anzahl von Fans – Mark Hamill und Harrison Ford blieben schließlich verschont. Fisher reagierte cool und ehrlich: „Schönheit und Jugend sind keine Leistung, die man selbst erbringt. Sie sind das vorübergehende, glückliche Nebenprodukt von Zeit und DNA.“
Zum Glück! Denn so verkörpert Carrie Fisher nämlich keine hyperliftete Cher im Starwars-Gewand – stets jung, auf eine gruselige und künstliche Art und Weise. Stattdessen ist Leia Organa optisch die überzeugendste Figur der ganzen Episode VII – weil sie nämlich nicht nur graue Haare hat wie Han Solo oder lediglich einen Bart wie Luke Skywalker trägt. Weil sie so auffällig, individuell und vielfältig gealtert ist, spiegelt sich in ihr die Realität in der Fantasy am überzeugendsten, weil wahrscheinlichsten wider. Und genau das ersehnt schließlich jedes Fantasyherz.
Ich bin gespannt auf Rick Deckard – und hoffe, dass der mindestens dritte Zähne und einen fancy Rollator bekommt.
Bilder:
Carrie Fisher: https://twitter.com/carrieffisher?lang=de